Zeit hat man immer zu wenig, oder? Mir geht es jedenfalls so. Die Tage zerrinnen zwischen den Fingern, Wochen fliegen nur so dahin. Ein Monat ist nur ein Wimpernschlag, das Jahr schon wieder vorbei.
Wenn ich dann zurückschaue, bleibt so wenig, dass es wirklich wert war. Nur ein winziger Bruchteil dessen was war, bleibt. Und trotzdem wird ein neues Jahr wieder wie das Alte. Gleichförmig, ohne Ecken und Kanten. Dabei kann es auch anders sein.
Wir waren eingeladen ins Atelier von John Gerard und Jeannette Sapel nach Hilberath. Die beiden machen Papier. Aber das ist eigentlich falsch. Die beiden erschaffen große Kunst.
Hilberath ist ein winzig kleiner Ort, keine 500 Einwohner, und mittendrin in einem alten Bauernhof lebt Herr Gerard seit vielen Jahren seinen Traum. Er schöpft Papier in Handarbeit.
In dem Moment, in dem man durch die Tür in das Anwesen tritt, spürt man, wie der Stress abfällt und wie die Welt da draußen unwichtig wird. Wir sitzen beim Kaffee und sprechen über Kunst, Leidenschaft und Handwerk und Hingabe. Um uns summen die Wespen, aber sie sind hier seltsam friedlich, so als würden sie sich der Ruhe dieses Hauses anpassen. Vielleicht liegt das aber auch nur am Wetter. Vor uns in der Einfahrt trocken große Bögen Papier an der frischen Luft.
Herr Gerard erzählt mir, wie er, versunken in seine Arbeit, den Tag liest. Wie er aus seiner Umgebung hört welche Zeit es ist. Die Kirchenglocken, die morgens zum Gebet rufen, das Motorengeräusch, wenn das Postauto um die Kurve fährt und neue Materialien bringt. Abends die Nachbarn, die von der Arbeit nach Hause kommen. All das zieht vorbei während er und Frau Apel Lumpen reißen, Pigmente auswählen, den Holländer füttern und das Papier schöpfen. Es sorgfältig trockenen und stapeln. Bis dann Menschen wie wir vorbeikommen und mit großen Augen staunen, was man mit Hingabe und Konzentration auf das Wesentliche erschaffen kann. Wodurch jeder Tag wertvoll wird. Wertvoll für denjenigen der das Ergebnis dieses Tages mit in seine eigene Welt nimmt und daraus Dinge erschafft, die für diesen Menschen wieder alles bedeuten. Origami Kunstwerke zum Beispiel, unfassbar detaillierte Papierskulpturen, erschaffen aus einem einzigen Bogen Papier.
Oder das Künstlerbuch „Eldorado“ von Desiree Wickler. In den Seiten hat Herr Gerard mit Hilfe von Wasserzeichen einen Teil der Bilder direkt ins Papier integriert. Man kann das komplette Bild nur gegen das Licht erkennen. Für mich ganz große Kunst.
Was es jetzt noch mit den 70 Zentimetern aus der Überschrift auf sich hat? Etwas das ich auch zu oft vergesse. Man muss auch seine Grenzen kennen. Herr Gerard sagte mir, größere Bögen als 60cm kann er nicht schöpfen. Dafür sind seine Arme zu kurz, das ist die Grenze. Mehr geht dann nur zu zweit. Um die Grenze des machbaren zu verschieben braucht man einen Partner.
Es waren wunderbare inspirierende Stunden, die wir in Hilberath verbracht haben. Natürlich werden wir wiederkommen. Nicole hat einige Bögen Papier für Drucke mitgenommen. Ich denke schon die ganze Zeit darüber nach, wie ich es schaffe das Papier für Fotoabzüge zu beschichten.
Es waren Stunden, die im Rückblick der Jahre als wertvoll aufblitzen werden. Als die Stunden, um die es eigentlich geht.
Die Bilder hat Nicole gemacht. 🙂
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